Seekarten richtig lesen
Wer von uns wünscht sich nicht die magische Gabe mit einem flüchtigen Blick auf die Seekarte, sofort Zielfisch und Fängigkeit bzw. Fischdichte zu erkennen. Immer wieder kommen Kunden und Partner auf uns zu und wollen wissen, wie sie dieses Talent in sich entdecken können. Dazu muss zunächst klargestellt werden, dass es sich hierbei um kein Talent, keinen achten Sinn und auch um kein inneres Orakel handelt. Das fischbezogene erfolgreiche Interpretieren von Seekarten beruht auf purem Wissen, angelesen oder selbst erworben, und der eigenen Erfahrung. In diesem Artikel werden wir euch in puncto Wissen hoffentlich einen Schritt weiter bringen können. Für den Part Erfahrung müsst ihr dann die ausgemachten Hotspots durch ein Echolot mit GPS-Kartenplotter wie dem Raymarine Dragonfly, Garmin Striker 7 oder Humminbird Helix 7 SI GPS anfahren und euren Verdacht vor Ort mit der Wünschelrute überprüfen. Solche Premium-Echolote könnt ihr sehr kostengünstig bei echolot-captain im Verleih mieten. Außerdem könnt ihr kostengünstig elektronische Seekarten von Navionics auf dem neuesten Datenstand zusammen mit dem Echolot mieten. Der Kauf eines Highend Echolot-Kombigeräts mit Kartenplotter ist aus wirtschaftlicher Sicht nicht empfehlenswert, bei den geringen jährlichen Einsatzzeiten ist es schlauer sich ein Echolot günstig zu leihen. Wie ihr die Echolote dann richtig einsetzt, erfahrt ihr im Artikel Echolot Kombigerät mit GPS-Kartenplotter: der perfekte Norwegenbegleiter.
Erfolgreich Seekarten zu lesen bringt viele Vorteile. Bei einem Norwegenurlaub wird beispielsweise die Recherche für potentielle Angelhäuser deutlich beschleunigt, da einige Gebiete aufgrund der vorherrschenden Unterwasser-Topografie unattraktiv sind. Außerdem könnt ihr euer mitzunehmendes Angel-Equipment besser kalkulieren. Wenn ihr feststellt, dass es keine größeren Tiefen zu beangeln gilt und auch keine stärkeren Strömungen zu erwarten sind, kann die 50lbs Rute mit der 800 g Multirolle schon mal zu Hause bleiben. Ein mit Bedacht zusammengestelltes Equipment spart Platz, Zeit und Geld.
Einige grundlegende Seekartenweisheiten gelten sowohl für Küstengebiete als auch für Fjordregionen, andere sind nur in bestimmten lokalen Gebieten anwendbar. Um die Seekarten einer Fjordlandschaft erfolgreich zu interpretieren, solltet ihr euch zunächst mit der typischen Unterwasser-Topografie beschäftigen. Der gemeine Fjord ähnelt zumeist einer „Badewannen-Silhouette“, d.h. der Meeresgrund geht von der Küste steil bergab in die Tiefe und breitet sich in der Fjordmitte mit einer gleichmäßigen Tiefzone aus. Ursache ist der eigentliche Entstehungsprozess des Fjordes. Während der Eiszeiten haben sich kalbende Gletscherzungen tief in die Bergrillen hineingehobelt und ließen allerhand Sedimente am Grund zurück. Tiefenströmungen trugen ihr Übriges dazu bei, dass sich Sedimente und Kleingeröll stets am tiefsten und flachsten Fjordboden absetzten. Das Ergebnis ist eine Schlammschicht, die bis zu 150 Meter stark sein kann, in der es nicht wirklich viel Leben gibt. Mittels dieser Erkenntnis können wir also den Mittelkanal des Badewannenfjordes in der Regel als eher fischarm bei Seite legen. Bleiben noch Untiefen und interessante strukturreiche Küstengebiete.
In den norwegischen Küstengebieten gilt eine Grundregel: je mehr Unregelmäßigkeiten, desto besser. Woran erkennt ihr diese Unregelmäßigkeiten? Dazu müsst ihr in den Seekarten eigentlich nur auf wellen- oder zackenartige Tiefenlinien achten. Das heißt je gerader und küstenparalleler die Tiefenlinien verlaufen, desto weniger Struktur weist die Region auf. Mit dem Echolot gilt das gleiche. Wenn ihr bei ordentlicher Drift eine ebenmäßige Bodenstruktur auf dem Fischfinderdisplay vorfindet, spricht das eher gegen das Angelrevier. Versucht also mit eurem gemieteten Kartenplotter oder GPS-Navigationsgerät an die strukturreichen Stellen zu fahren. Bei guter Drift sollte euer digitaler Fischfinder einen wellenförmigen Untergrund anzeigen, egal ob es tendenziell tiefer oder flach wird. Die Bedeutung von Unterwasserstrukturen kann nicht oft genug hervorgehoben werden, denn bei einem strukturlosen Meeresgrund gibt es nur drei wesentliche Ausprägungen: Schlamm, blanker Fels oder Sand. , Hier wimmelt es weder an Futtergetier noch an Verstecken, wodurch alle Exemplare entlang der Nahrungskette in geringerer Anzahl vorzufinden sind. Dazu bedarf es keiner ach so schlauen Meeresbiologen, das sachkundige Anglerauge erkennt das sofort. Achtet deshalb auf strukturreiche Gebiete. Dort liegen große Steine und klaffende Felsspalten, die Dichte an Unterwasserpflanzen ist höher und es gibt mehr Futterfisch und dadurch auch mehr Räuberfische. Einen Nachteil hat jedoch zumindest das Grundangeln in den strukturreichen Revieren. Hier werden immer wieder eure Fähigkeiten getestet, selbst die hartnäckigsten Hacker zu lösen – was in der Regel am besten funktioniert, indem ihr den Hacker mehrfach so hart wie möglich anhaut. Entgegen der weit verbreiteten Meinung verfängt sich der Pilker bei festsitzenden Hackern nicht in Unterwasserpflanzen sondern klemmt zwischen Steinen oder in Spalten fest. Durch das ruckartige mehrfache Anschlagen der Rute, dann der Pilker oft verlustfrei gelöst werden.
Der Klassiker der Seekartenkunde ist das Identifizieren von Untiefen (norw.: grunnen). Untiefen gehören per se zu den strukturreichen Unterwasserregionen. Hier wimmelt es oft von Futterfisch und kapitale Räuber sind nicht weit. Die Ursache dieser Anziehungskraft der Untiefen auf Fische ist leicht mit einer statistischen Beobachtung zu erklären. Während es in Küstenregionen auf breiter Front eine bestimmte Tiefenregion gibt, also überall entlang des Küstenstreifens, ist die Untiefe in ihrer Umgebung einmalig, entsprechend hoch also die Fischkonzentration. Wenn wir so wollen, fehlt es den Futterfischen also an Möglichkeiten sich zu verteilen. Die Untiefe ist umso interessanter, je intensiver sie ist. Eine Untiefe von z.B. 5 m in einem Revier ringsum von 10 m Tiefe ist weniger ausgeprägt als eine Untiefe von 20 m in einem Revier von 100 m.
Im Artikel Anleitung für freie Online-Seekarten erklären wir euch, wie ihr bequem von zu Hause aus und vor Reisebeginn, eure Angelreviere nach interessanten potentiellen Fischgründen untersuchen könnt. Habt ihr dort vielversprechende Untiefen und Hot-Spots ausgemacht, notiert ihr die GPS-Daten und könnt dann mit eurem geliehenen Kartenplotter die Stellen anfahren. Wenn ihr das Raymarine Dragonfly dabei habt, solltet ihr unbedingt einmal den Down-Vision-Modus an fängigen Hot-Spots einschalten. Es ist wirklich sehr beindruckend, die Fischvielfalt und Unterwasserstruktur in einer derartigen Klarheit zu sehen.